Eröffnungrede: Die Handtasche

Kleine Kultgeschichte eines Frauenlieblings

Vor dem Geldautomaten einer Bank irgendwo in Deutschland

Männer:

Motor abstellen

aussteigen

in die Sparkasse gehen

Karte reinstecken

Code eingeben

Karte und Geld nehmen

gehen, wegfahren

Frauen:

Ankommen

Aussehen im Rückspiegel kontrollieren

Motor aus

Schlüssel in die Handtasche stecken

reingehen

Karte in der Handtasche suchen

Karte reinstecken

in der Handtasche nach der Tamponpackung suchen auf welcher der Code notiert ist

Code eingeben

Kontostand prüfen

In der Handtasche nach Briefumschlag suchen

in der Handtasche nach Stift suchen

Kontostand notieren

Geld ziehen

ins Auto steigen

Geld und Briefumschlag mit Kontostand in die Handtasche stecken

Aussehen im Rückspiegel kontrollieren

Autoschlüssel in der Handtasche suchen

losfahren

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Eröffnungsgäste

diese kleine Geschichte von Männern und Frauen, die es als Wandersage in ganz unterschiedlichen Ausführungen gibt, macht uns heute Abend vor allem eines schlagartig klar. In der gesamten Geschlechterdiskussion zumindest der letzten 50 Jahre ist ein Aspekt vollkommen übersehen worden.

Ein ganz entscheidender Unterschied zwischen Männern und Frauen ist vor allem eines: die Handtasche.

Jede Frau hat mindestens eine, sie ist ihr Lieblingsbegleiter, eine Frau geht nie ohne sie aus dem Haus, ihre vielfältigen Erscheinungsformen sind so unterschiedlich wie die Frauen selbst, über den Inhalt wird gerätselt und er gilt als einer der letzten Mysterien der Menschheit.

Die Handtasche ist einfach Kult.

Ich denke schon jetzt können sie nachfühlen, warum meine Mitarbeiterin Ulrike Schwarz und ich beschlossen hatten, der Handtasche ein großes Ausstellungsprojekt zu widmen.

Da ist auf der einen Seite, der im Handwerksmuseum alle drei Jahre stattfindende Wettbewerb für Handwerk und Design. Und es erweist sich das Thema Handtasche als besonders geeignet, da es die unterschiedlichsten Kreativen aus den Bereichen Mode, Design und Handwerk anspricht und so auch zu den vielfältigsten Ergebnissen geführt hat.

Da ist aber auch die zunächst wenig bekannte Geschichte dieses Frauenlieblings, der uns schließlich alltäglich begleitet und den die meisten von uns lieben und verehren, auch wenn sie ihm gelegentlich untreu werden und durch einen neuen ersetzen.

Bei der Konzeption der Ausstellung war keinesfalls ein Schwerpunkt, sich mit den großen Modelables, den Luxusmarken auseinander zu setzen, wie dies vor zwei Jahren in einer ersten großen Ausstellung zur Handtasche in Paris geschehen ist. 

 

Mein Ziel war es die Geschichte der ganz normalen Handtaschen und ihrer Besitzerinnen und den Kult, den diese Frauen um ihre Handtaschen betreiben zu verfolgen.Wo kommt sie denn nun eigentlich her und seit wann gibt es den ständigen Frauenbegleiter? Bald stellt sich heraus, dass die Handtasche eigentlich eine Geschichte des 20. Jahrhunderts ist. Und sie werden es kaum glauben, die ersten Taschenträger davor waren vor allem Männer. Jagd- und Patronentaschen, Geldtaschen, Tabaksbeutel und Handwerkstaschen. Natürlich gab es viele Vorläufer auch bei den Frauen. Die ersten Taschen, die sie trugen waren allerdings flache Beutel aus Stoff und verborgen unter vielen Unter- und Überröcken. Erst die Mode um 1800 mit enger anliegenden Kleiderschnitten machte es nötig, Beutel, Säckchen oder Retiküls sogenannte Netztäschen zu tragen. Erst hier wurden die Taschen der Frauen überhaupt sichtbar.

Bezeichnend dabei ist, dass aus dem Retikül alsbald ein Ritikül, also ein lächerlicher Gegenstand wurde, aus Männersicht natürlich.

Erst mit dem Ende des 19. Jahrhunderts machen sich dann die Handtaschen mit Ihren Frauen auf den eigenen Weg. Dies ist durchaus wörtlich gemeint. Die wachsende Unabhängigkeit der Frauen von männlicher Begleitung, eine zunehmende finanzielle Unabhängigkeit, das Reisen alleine mit der Eisenbahn, hat letztlich zu dem geführt, was wir heute als Damen Handtasche kennen. Geld, kleine Utensilien für die Reise und die Fahrkarten mussten schließlich untergebracht werden. Das große Gepäck in Koffern und Reisetaschen wurde bei der Eisenbahn aufgegeben und machte kleinere Behältnisse für die Fahrt nötig.

Man kann durchaus das 20. Jahrhundert als das Jahrhundert der Handtaschen bezeichnen. Ich möchte hier nicht die ganze weitere Entwicklungsgeschichte ausbreiten. Sie können sie anschaulich in der Ausstellung nach verfolgen. Mir persönlich haben es vor allem die kleinen Taschen aus den 20er und 30er Jahren angetan, die mit ihren Formen und Mustern im Art Deco Stil überraschend modern wirken. Die hellbraunen großen Taschen mit Karofutter, eine eigenartige Mischung aus Einkaufs- und Handtasche, kenne ich noch gut von den meist älteren Frauen aus meiner Kindheit. Abgeschabte Umhängetaschen und Hippiebeutel aus Samt habe ich selbst getragen damals, Anfang der 70 er. Danach bricht eine überwältigende Fülle an unterschiedlichen, auch parallel verlaufenden Modeströmungen über die Handtasche her, dass es schwer fällt den Überblick zu bewahren. Die aktuellste Handtasche können Sie ganz einfach mit einem Blick auf ihre eigene oder die ihrer Nachbarin ausmachen, die sie heute abend in die Ausstellung ausführen.

Die ersten Damenhandtaschen sehen ihren großen Kolleginnen, den Reisetaschen verblüffend ähnlich. Sie sind irgendwie Kofferartig und haben – auf Reisen besonders zweckmäßig, ein kleines Schloss.

Diese ersten Taschen treten schließlich eine Entwicklung los, die in Vielfalt und Formen kaum zu überbieten ist.

Doch die Handtasche hat nicht nur eine formalgeschichtliche Entwicklung aufzuweisen. Das würde dem kultigen Thema nicht gerecht werden. Mit Augenzwinkern können wir uns auch den berühmten Handtaschen zuwenden. In dem kleinen Vip Theater erleben sie Grace Kelly mit Ihrer Kelly Bag, Lady Di mit Ihrer Lady Dior bag oder die beiden Britinnen an der Spitze die Queen, Erfinderin der Handtaschensprache und die Ex Premierministerin Maggie Thatcher.

Politikerinnen und Handtaschen, ein Kapitel das gerade bei uns neue Brisanz erhalten hat. Mr. Thatcher war jedenfalls so klug ihre Handtasche als Mittel zum Zweck zu benutzen. Sie darf sich als Erfinderin des handbagging ansehen. Legendär ist Ihr Auftritt auf dem EU Gipfel 1984 als sie mit der Tasche auf das Rednerpult eindrosch und rief: „I want my money back“. Angela Merkel wurde, soweit mir bekannt in der Öffentlichkeit noch nicht mit Handtasche gesichtet. Vielleicht hat Sie einfach die Schlagkraft dieses Frauenbegleiters noch nicht erkannt.

 

Gute Handtaschen halten diese Behandlung locker aus. Ihre serielle Herstellung ist auch heute noch aufwändig und erfolgt in der Regel auf den handwerklichen Grundlagen des Täschnerhandwerks, wenn auch sehr häufig im außereuropäischen Ausland. Beispielhaft erzählt dies die Geschichte des Martin Picard und seiner Kinder, die 1928 nahe dem Lederwarenzentrum Offenbach eine Fabrikation begründet haben.

Eine Handtasche ist für eine Frau etwas ganz persönliches.

Würden Sie jetzt gerne den Inhalt ihrer Tasche entleeren und dem Ausstellungspublikum sichtbar machen? Irgendwie würde dadurch die Intimsphäre verletzt. So überrascht es nicht, dass sich auch die Psychologie des Themas Handtasche bemächtigt. Wenn auch sie heimlich in einschlägigen Frauenzeitschriften Psycho Tests ausfüllen „Was für ein Handtaschentyp sind sie?“, dann wissen Sie wovon ich rede.

Ich möchte den Kreis schließen und bin wieder da angelangt, wo ich begonnen habe. Männer und Handtaschen, ---ein schwieriges Verhältnis.

Bis heute begnügen sie sich mit den Nachfolgern des Hosensacks, ausgebeulten Hosen- oder Sakkotaschen für die paar Dinge, die sie bei sich tragen. Alles andere hat ja Frau oder Freundin in der Handtasche.

In den 70 er Jahren haben es Modemacher tatsächlich versucht, Männer und Handtaschen kompatibel zu machen. Es hat nicht geklappt. Wer weiß wie viele der damals von den Männern vergessene, liegengelassene Exemplare heute noch irgendwo ihr Dasein fristen?

Immerhin hält ein Vertreter die Fahne der Männertasche bis heute hoch. Ich muss allerdings gestehen, dass es sich um einen Kabarettisten handelt. Franz Markus Barwasser, besser bekannt unter Erwin Pelzig tritt nur mit seiner Handtasche auf.

Wenn Sie nun glauben, das Thema Handtasche ist damit erschöpft – sie ahnen schon – es ist längst nicht so. Die Handtaschen aus dem Wettbewerb für Handwerk und Design bietet ebenso viele spannende und neue Aspekte des Themas.

Dass unsere Handtaschenausstellung eine so weite Reise antritt, haben wir nicht geahnt. Irgendwie hätte es uns leid getan, die schönen Stücke wieder zu verpacken, im Depot verschwinden zu lassen oder an die Besitzer zurückzugeben.

Dass dies vorerst noch nicht geschehen musste, dafür bedanke ich mich bei der Museumdirektorin Frau Blum-Spicker. Vielen Dank im Namen der Stadt Deggendorf, dass Sie die Ausstellung in ihr Haus aufgenommen haben und wir heute abend bei Ihnen zu Gast sein dürfen. Bei Ihnen liebe Frau Riemann bedanke ich mich für die geteilte Begeisterung für das Thema Handtasche und die angenehme und kollegiale Zusammenarbeit.

Ich freue mich vor allem für die jungen Handtaschendesigner aus dem Wettbewerb, die hier die Möglichkeit erhalten haben Ihre Arbeiten einem erweiterte Besucherkreis zu zeigen.

Sollten Sie, liebe Zuhörer einmal zum Wandern oder Skifahren in den Bayerischen Wald kommen, darf ich Sie natürlich herzlich zu einem Besuch im Stadtmuseum und Handwerksmuseum nach Deggendorf einladen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit

Birgitta Petschek-Sommer M.A.
Leiterin der Museen der Stadt Deggendorf